Sonntag, 29. September 2013

Mum,

Nie warst du auf irgendwelchen Elternabenden dabei, weder, wenn es um meine Noten ging, noch um soziale Pflichten oder wie man es nennen mag. Nie warst du bei meinen Theateraufführungen dabei, hast mir nie Standing Ovations gegeben oder Rosen auf die Bühne geworfen, und nie warst du bei Ehrenabenden für 'besonderes Engagement im vergangenen Schuljahr', nie entdeckte ich dein Gesicht in der Menge der Themenabende, bei denen ich seit der siebten Klasse die Organisation übernommen habe, und nie sagte mir eine Freundin am nächsten Schultag, ich wärde dir wie aus dem Gesicht geschnitten. Niemals, das schließt sowohl die Vergangenheit wie die Gegenwart, als auch die Zukunft mit ein. Du wirst dich nie ändern, nie wirst du stolz auf mich sein, und nie wirst du auch nur ein einziges Wort der Wertschätzung über deine Lippen rollen lassen. 
Du warst nie da, aber immer wusstest du bescheid. Immer sagte ich dir, dass du eingeladen seist, und wenige Male sagte ich dir, dass mir deine Anwesenheit etwas bedeuten würde. Nie kamst du, aber ich ließ dich teilhaben, indem ich es dir erzählte. In der sechsten Klasse war ich besonders stolz auf das diesjährige Projekt meiner Klasse, denn sie hatte meine Idee übernommen und verwirklicht, und somit hatte ich das Projekt mit einigen Freunden erstellt und uns die Choreografie für unser "Tanz-Projekt" ausgedacht. Wir waren ziemlich erfolgreich und bekamen die Auszeichnung zum besten Projekt der Schule, dafür bekam jeder vom Elternbeirat einen Coupon für ein Gratis-Essen in der Kantine. Ich stand dort, den Coupon und die Motivation, mir einen Kuchen zu holen, gefasst, in der Kantine und sah mich um. Reizüberflutung des höchsten Maßes. Ich wollte einen Mohnkuchen, nein einen Käsekuchen, nein lieber die Schokotorte. Aber als ich mich umsah, sah ich all die Gesichter. Ja, das dicke Kind stand in der Mitte all der Gesichter und sie dachten sich sicher, ich würde mich jetzt vollfressen. Auch das erzählte ich dir in meiner kindlichen Naivität am nächsten Tag, fast schon ein bisschen sehnsüchtig, du würdest mir erzählen, wie du meine Hand genommen hättest und an den Gesichtern vorbei gegagen wärst, wenn du da gewesen wärst. In der Hoffnung du würdest mir Mut machen und mich aufheitern erzählte ich es dir, wie ich mich gefühlt hatte. "Du hast sowieso keine Chance. Wenn du dir einen Kuchen gekauft hättest, hätten sie sich gedacht 'Oh, die Dicke isst mal wieder einen Kuchen und frisst sich voll'. Hättest du keinen gekauft, hätten sie gedacht 'Die Dicke wird jetzt sicher heim gehen und sich dort vollfressen'. Du hast keine Chance." Ich war zehn oder elf Jahre alt. Mit 5 Kilo Übergewicht. Danke, Mum.

Samstag, 28. September 2013

Freitag, 27. September 2013

Dienstag, 24. September 2013